Neurodermitis – die wunde Grenze. Krankheit, Problem und Lösung.

Die unter dem Namen Neurodermitis bekannte Krankheit heisst eigentlich atopisches Ekzem (griechisch, „topia“ kommt von „Ortlosigkeit“ oder „nicht zuordnen“, „ekzema“ heisst „Aufgegangenes“).

Der Name Neurodermitis stammt aus dem 19. Jahrhundert, als angenommen wurde, dass die Krankheit eine Nervenentzündung ist. Dies wurde später widerlegt.

Nach meiner Beobachtung und Erfahrung besteht bei Neurodermitis eine hohe Sensibilität, die mit einer hohen Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme auf eigene Wertvorstellungen und die Bedürfnisse anderer zusammengeht. Die Person ordnet ihre ureigenen authentischen Bedürfnisse meist ethischen, sozialen, religiösen, gesellschaftlichen und emotionalen Richtlinien unter. Diese können im konkreten Fall von anderen Personen kommen und/oder auch von einer im Laufe des Lebens verinnerlichten Werteordnung.

Die eigenen Bedürfnisse werden manchmal wahrgenommen, oft aber sind sie bereits durch das ständige Zurückdrängen ins Unbewusste abgewandert. Unabhängig davon, ob die eigenen Bedürfnisse wahrgenommen werden ist die Handlung selbst: es werden andere Werte, andere Bedürfnisse vorgezogen, das eigene authentische Ich wird zurückgestellt.

Energetisch gesehen, nimmt sich die Person nicht ihren Raum, sondern sie nimmt sich zurück und lässt andere in ihren Raum eindringen. Ihre Grenze wird verletzt. Dabei kann es sein, dass es andere Personen sind, die aktiv die Grenze verletzen und übertreten, sich in den ihnen fremden Raum ausdehnen. Ebenso kann es eine Kombination von Fremdeinwirkung und Eigenaktion sein. Oder die Aktion geht alleine von der neurodermitischen Person aus. Sie macht Platz für das andere, Platz in sich, in ihrem Raum. Sie zieht sich zurück, geht von sich selbst weg, um dem anderen, dem vermeintlich wertvolleren Raum zu geben. Dieses Raumgeben für andere(s) können konkret Personen sein, aber auch abstrakte Werte wie Höflichkeit, Nett-sein, im-System-funktionieren und vergleichbare Konstrukte.

Oft hat die betroffene Person ihre eigene Unterordnung so verinnerlicht, dass das Unterdrücken ihrer eigenen Bedürfnisse ihr zur zweiten Natur wurde. Sie nimmt die Bedürfnisse anderer im weitesten Sinne als ihre eigenen Bedürfnisse wahr. Und erfüllt sie ihnen. In diesem Stadium nimmt sie ihre eigenen Bedürfnisse nur noch unvollständig oder gar nicht mehr wahr.

Wie bei vielen Krankheiten und Problemen liegen hier ursächliche Aspekte in der Kindheit und dadurch in der Disposition des Erwachsenen. Wird das Kind nicht darin unterstützt, dass es seinen Raum bekommt und ihn nehmen darf, kann sich ein entsprechendes Muster ausbilden, das sich beispielsweise als Neurodermitis zeigt.

Das Kind erfährt durch die Verminderung seines Raumes eine Grenzüberschreitung von aussen. Seine Bedürfnisse können sich nicht ungehindert entfalten.

Wichtig scheint mir der interpersonale Bezug: die Grenzen des Kindes werden überschritten, weil die andere Person das Gefühl hat, nur so ihren eigenen Raum leben zu können. Dem Kind wird der Eindruck vermittelt, dass es nur ein Entweder-Oder geben kann. Entweder werden die Bedürfnisse der einen Person erfüllt oder der anderen. Und um zu entscheiden, welche Bedürfnisse erfüllt werden, wessen Bedürfnisse das Vorrecht haben, wird ein Wertesystem eingeführt.

Ein gleichzeitige Bedürfnisserfüllung für beide oder mehrere Personen, Gruppen oder Systeme kommt in dieser Welt nicht vor. Daraus ergibt sich der Konflikt. Die Person mit Neurodermitis wird (bewusst oder unbewusst) gezwungen, ihre Bedürfnisse zugunsten einer anderen Person aufzugeben oder einzuschränken. Diese Positionierung ist meist mit einer (verbalen oder nonverbalen) Wertung verbunden. Wenn sie Rücksicht nimmt, ist sie „gut“ und wird dafür respektiert, geliebt, belohnt. Wenn sie sich nicht einschränken möchte, geschieht das Gegenteil: sie ist „schlecht“ und deshalb nicht liebenswert, wird nicht geliebt und respektiert. Sie wird bestraft. Es wird das Bild entworfen, dass sie (beispielsweise) rücksichtslos sei, wenn sie an ihren Bedürfnissen festhält, wenn sie ihre eigenen Grenzen respektiert, wenn sie ihren Raum einnehmen möchte.

In diesem Ping-Pong ist kein Raum für echte Kommunikation, für das Eruieren von Bedürfnissen, für Offenheit und Freiheit. Kein Platz für wertfreie Wahrnehmung und gemeinsames kreativ-konstruktives Gestalten der Gegebenheiten.

Dadurch wird eine Entfremdung der Person zur Situation geschaffen, eine Entfremdung von sich selbst. Der direkte Kontakt mit dem eigenen Selbst wird unterbrochen, es werden fremde, abstrakte Wertungen dazwischengeschaltet, die höher bewertet werden als der eigene Kontakt, als das eigene Selbst, die eigene Wahrnehmung und Kreativität.

Je tiefer diese Entfremdung geht, je weniger ist die Person fähig, sich und ihre Bedürfnisse zu spüren und in den gemeinschaftlichen Kontext einer gewaltfreien Kommunikation und sozialen Interaktion einzubringen.

In der Folge davon wird sie im weiteren Leben, so wie sie es gelernt hat, abstrakte Werte in die Entscheidungsfindung einbringen und so das Finden einer Lösung verunklären. Sie agiert auf einer Ebene, die nicht die tatsächliche Realitätsebene ist, sondern eine aufgesetzte. Dies ist ihr aber meistens nicht bewusst, da sie ihr Wissen der wahren Realität ins Unbewusste abgeschoben hat.

So produziert sie bei sich selbst und provoziert bei anderen Grenzüberschreitungen, die auf dem Boden der vorliegenden ungeklärten Blockaden zu Verletzungen führen. Sie wiederholt die Grenzüberschreitungen ihrer Kindheit in verschiedenen Varianten, fühlt sich immer wieder verletzt.

Die Haut, ihr ureigenster Schutz wird durch das kontinuierliche Missachten, Übertreten und Niedertreten der Grenze immer wieder verletzt, wird wund. Ist wund. Bleibt wund. Blutet. Neurodermitis.

Die Lösung ist die Klärung der inneren Disposition, das Bewusstmachen, der ursprünglich bewussten, dann aber ins Unbewusste verschobenen Wahrnehmungen, Erfahrungen. Der erste Schritt ist das Wieder-Wahrnehmen der ureigenen Bedürfnisse. Der zweite Schritt ist eng damit verknüpft: das Wahrnehmen der eingeführten fremdbestimmten Werteskala. Und dann gibt es einige erste und zweite Schritte, immer wieder, bis alle Schichten der Prägung wahrgenommen und gelöst sind.

Wahrnehmen bedeutet etwas für wahr nehmen, es als die Wahrheit annehmen. Die eigene Wahrheit, die individuelle echte Realtität wird wieder wahrgenommen und als die eigene Position angenommen. Die abstrakte Zwischenebene der eingeführten fremden Wertesysteme wird als solches wahrgenommen. Und kann so losgelassen werden.

Dies führt dazu, dass die Person wieder zu sich findet, zu ihrer eigenen Position, zu ihrem eigenen Raum. Das sie nun wieder fühlen kann, was ihr Raum ist und was der Raum der anderen ist. Das sie bei sich selbst bleiben kann. Und aus dieser Position frei, offen und kreativ ihr soziales Zusammensein mit anderen gestalten, leben, geniessen kann.

Dass sie erleben kann, dass gemeinsames Sein nicht bedeutet, dass immer eine Person zugunsten einer anderen auf ihren Raum verzichtet. Sondern dass beide Personen in ihrem Raum bleiben können. Und sich für die Gemeinsamkeit ein neuer Raum bildet, da wo er Sinn macht für beide. Dass es dafür keinerlei Grenzüberschreitungen bedarf. Die Person kann einfach die sein, die sie ist.

Und so kann die Grenze sein, was sie ist. Eine Grenze. Eine Grenze mit einem Innen und Aussen. Eine Grenze, die das Innen schützt. Eine Grenze, die flexibel ist und bewegt werden kann. Aber dabei immer eine Grenze bleibt. Und wenn die Grenze sie selbst sein darf, dann kann auch die Haut einfach Haut sein. Keine Verletzung mehr. Kein Wundsein mehr. Kein Bluten mehr. Keine Neurodermitis mehr. Haut, die atmen kann, die sich von aussen nähren lässt, die Austausch von innen nach aussen zulässt. Und umgekehrt. Aber trotzdem immer Grenze bleibt. Immer feste geschlossene Haut bleibt. Gesunde, sensible, starke und flexible Haut.

Diesen Weg zu sich selbst zu finden, gehen unterschiedliche Menschen auf unterschiedliche Art und Weise. Manche einfach ganz für sich selbst, manche mit Hilfe.

Es gibt viele Methoden, die diesen Weg unterstützen können: Meditation, Yoga, Sport, Körperarbeit, Offene Wahrnehmung, Familienstellen, Psycho-Kinesiologie, Innere-Kind-Arbeit, Basisches Baden und andere.

Falls Sie noch Fragen zu Neurodermitis und zur Lösung der Problematik haben, können Sie mir gerne eine Email senden oder telefonisch Kontakt mit mir aufnehmen.

Ich arbeite bei Neurodermitis und anderen Problemen mit den Methoden Familienaufstellung, Psycho-Kinesiologie (Kinesiologie & EMDR), Innere-Kind-Arbeit, Offene Wahrnehmung und Basischem Baden.
www.andrea-hofmann.de Raum für Innere Arbeit in Berlin Mitte, Prenzlauer Berg, Kreuzberg / Friedrichshain und Treptow / Neukölln

7 Kommentare

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Neurodermitis Portal
6. März 2011 um 08:02

Liebe Frau Hofmann,

vielen Dank für den ausführlichen und sehr sehr interessanten Artikel! Wir vom Neurodermitis Portal jucknix.de würden sehr gern mehr darüber erfahren. Auf jucknix werden Neurodermitis Behandlungen objektiv gegenübergestellt und leicht verständlich erklärt. Der Einfluss der Psyche auf die Haut ist uns aus einigen wissenschaftlichen Studien bekannt, wir selbst haben uns damit auch schon beschäftigt – würden uns aber riesig freuen, wenn Sie uns bei diesem Thema unterstützen würden, da uns hier noch viele Erkenntnisse fehlen.

Wenn Sie interessiert sind, melden Sie sich doch bitte bei mir. jucknix.de ist das größte deutsche Neurodermitisportal und Sie könnten Ihre Arbeit einer Menge Betroffenenen vorstellen und sicherlich weiterhelfe.

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung,

VG

Tim

19. September 2013 um 17:50

Liebe Frau Hofmann,

herzlichen Dank für Ihren Neurodermitis-Blog. Was Sie schreiben, kann ich als Betroffener alles unterschreiben. Neurodermitis ist ein Problem mit der eigenen Grenze, die von anderen übertreten und von einem selbst nicht geschützt wird.
Ich lasse meine Grenzen nicht mehr übertreten und stehe für meine Wünsche und Sehnsüchte ein, ich gehe frei meinen Weg und habe den Kontakt zu Menschen, die mir nicht gut tun, aufs Nötigste begrenzt.
Seither bessert sich meine seit Kindheit bestehende Neurodermitis immer mehr. Ich kann viele Lebensmittel essen, auf die ich Jahre verzichten musste. Auch mein Asthma ist ohnne Diät und Medikamente nahezu verschwunden.

Ich hoffe, dass Sie mit Ihrer Arbeit noch vielen Menschen helfen können.

Liebe Grüße
Franz

Andrea Hofmann
19. September 2013 um 18:08
– Als Antwort auf: Franz

Lieber Franz,

ganz herzlichen Dank für Ihren Kommentar und die Schilderung Ihrer Erfahrungen. Es freut mich sehr, dass Sie meine Beobachtungen teilen – dies kann sicher einigen Betroffenen weiterhelfen.

Vielen Dank & beste Grüße
Andrea Hofmann

26. Mai 2015 um 20:56

Guten Abend,

Ich habe seit 1,5 Jahren einen sehr schlimmen und anhaltenden Neurodermitis-Schub. Und genau die Themen, die Sie hier beschreiben, nämlich immer wieder den eigenen Raum für die Wünsche und Bedürfnisse anderer Leute frei machen, sich selbst zurückstellen … haben mich eben in dieser Zeit beschäftigt. Es tut sehr gut dies so gut ausgedrückt zu lesen! Vielen Dank! Ihre Schilderung hilft mir gerade sehr viel und lässt mich besser sehen, an welchen Stellen, Verhaltensmustern ich weiter arbeiten werde! Es sind wirklich Sätze in ihrem Text, die ich fast 1:1 so als Gedanken hatte. Vielen Dank!

4. März 2016 um 11:26

Hi, also ich habe meine Neurodermitis seit der Pubertät und schon so ziemlich alles von Doc-Alternative Methoden ausprobiert. Seit ca 6 Wochen hab ich die Haka Euterpflege und ich muss sagen, bei mir wirkt es Wunder. Die Rötungen sind verschwunden und die rauehn bis rissigen Stellen wieder deutlich angenehmer (weich will ich noch nicht sagen) Kennt ihr die Creme?

12. März 2016 um 22:13
– Als Antwort auf: simone

Hallo Simone,

danke für die Anfrage!

Die Haka Euterpflege enthält Paraffin, das ist ein Erdölprodukt und kann von uns leider nicht empfohlen werden. Schon die Idee, sich ein (Abfall-)Produkt der Erdölproduktion auf die Haut aufzutragen ist keine Vorstellung. Was genau mit dem Erdöl dann im Körper bzw. in der Huat passiert, ist nicht genau untersucht. Es steht aber im Verdacht, dass es sich anlagert und die Haut langfristig in ihren Funktionen „blockiert“. Die Funktionen sind wichtig für die vollständige Funktionsfähigkeit des gesamten Körpers z.B. Ausscheidung von Abfallprodukten wie Säuren.

Deshalb kann ich Pflegeprodukte, die Erdölanteile wie Paraffin enthalten, nicht empfehlen.

Vielen Dank & schöne Grüße
Andrea Hofmann

Ina Goderich Hechavarría
21. April 2016 um 21:53

Guten Abend Frau Hofmann,
ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll. Zunächst möchte ich mich von ganzen Herzen bei Ihnen bedanken. Den Bericht, den Sie geschrieben und veröffentlicht haben hat genau das beschrieben, was in mir seit Monaten brodelt und ich tatsächlich erst seit gestern für mich richtig verstanden habe.
Ich bin 36 Jahre und habe seit Geburt Neurodermitis, die Diagnose wurde mit 2 Jahren gestellt. Ich habe Krankenhausaufenthalte, Einnahme von Kortison, Cremen von Kortison alles durch. Wenn ich zu meinem Hautarzt gehe, sagt er nur: Frau Goderich Hechavarría, ist es wieder soweit…und er verschreibt mir Kortisontabletten. Ich habe für mich entschieden, dass es einen anderen Weg geben muss und ich beschäftige mich seit knapp einem Jahr mit einer anderen Denkweise. Nur wenn ich mich liebe, zu mir stehe und mich endlich an- und wahrnehme, kann ich eine Verbesserung für mich erzielen. Aktuell hilft mir so gut wie keine Creme, um meine trockene Haut „weich“ zu bekommen. Ich bin komplett ratlos gewesen. Seit drei Wochen habe ich jeden Mittwoch MEINEN Tag, immer nach der Arbeit, ab 14.00 Uhr gibt es Zeit für mich. Ich bin mit meiner Freundin in einem Schwimmbad gewesen und am Schluss gab sie mir eine einfache Gesichtsmaske gegen Trockenheit. Ich hab diese probiert und siehe da, meine Haut war innerhalb kürzester Zeit weich und nicht mehr schuppig. Ich fing an nachzudenken. Warum wirkt eine Gesichtsmaske jetzt??? Das hätte früher niemals geholfen….Es hilft, weil meine Einstellung sich ändert. Ich nehme mich wieder wichtig, meine Haut ist nicht perfekt, aber ich fühle mich hübsch und nicht hässlich, ich strahle etwas anderes aus. Ich war gestern alleine im selben Schwimmbad, lag in der Sonne und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mich hübsch und wohl mit mir fühle. Diese Erkenntnis hat mich glücklich gemacht, tja und heute lese ich Ihren Artikel. Es war für mich wie eine Offenbarung, deshalb nochmals DANKE!
Ich habe aus dem Bauch heraus heute einen Blog gestaltet, in dem ich über meinen Alltag mit meiner Haut schreiben möchte, Tipps geben möchte und Gleichgesinnten einfach Mut machen möchte. Vielleicht haben Sie Lust mal rein zu schauen. Ich habe noch nicht viel geschrieben, ich fühle mich nur einfach richtig gut damit diesen Schritt zu gehen. Ich bin auf dem richtigen Weg, das spüre ich!! Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Viele Grüße Ina Goderich Hechavarría

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